Warum spricht man in Südtirol vorwiegend deutsch? Ein kurzer Ausflug in die Geschichte Südtirols?
Südtirol ist die nördlichste Provinz Italiens und zeichnet sich durch seine Zweisprachigkeit aus: große Teile der Bevölkerung sind deutscher Muttersprache. Nach der Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum merken viele Personen gar nicht, wenn sie über den Brennerpass oder den Reschenpass nach Südtirol fahren, dass sie italienisches Staatsgebiet betreten.
Die Bevölkerung spricht Deutsch, Nachrichten im Radio und Fernsehen werden in deutscher Sprache verlesen, nur zweisprachige Orts- und Hinweisschilder weisen darauf hin, dass man die Grenze zu Italien überschritten hat. Mancher fragt sich, warum eine vorwiegend deutschsprachige Alpenregion südlich des Brenners italienisches Staatsgebiet ist.
Das war nicht immer so:
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Rund 550 Jahre gehörte die heutige Provinz Südtirol als Teil Tirols zum Habsburgerreich, später zum Kaiserreich Österreich sowie zur K.u.K. Monarchie Österreich-Ungarn.
Zu tiefgreifenden Einschnitten in das politische Gefüge Europas kam es nach dem Ersten Weltkrieg. Österreich-Ungarn musste an der Seite des Deutschen Reiches kapitulieren, österreichische und italienische Truppen lieferten sich bis zum Kriegsende 1918 einen erbitterten Gebirgskrieg. Nach der Niederlage Österreichs besetzten italienische Truppen das heutige Südtirol und das Land wurde offiziell mit dem Friedensvertrag von Saint -German 1919 an Italien angegliedert. Damit wurden die Südtiroler zur deutschsprachigen Minderheit in Italien.
1922 kamen in Italien die Faschisten unter Mussolini an die Macht und für Südtirol begann eine Zeit der Repression und der Italianisierung: so wurde etwa die deutsche Sprache verboten, deutsche Schulen wurden abgeschafft, deutschsprachige Beamte entlassen, deutsche Ortsnamen durch italienische ersetzt und in Bozen Zehntausende Italiener angesiedelt. Doch die Südtiroler leisteten Widerstand – ein Beispiel dafür sind die „Katakombenschulen“, welche heimlich organisiert den Südtiroler Kindern das Lesen und Schreiben in deutscher Sprache beibringen sollten.
1939 schlossen Hitler und Mussolini einen Pakt, um die Umsiedelung der Südtiroler ins Deutsche Reich zu fördern. Die Südtiroler wurden vor die Wahl gestellt („Option“), ihre Heimat zu verlassen und dafür im „Deutschtum“ zu verbleiben oder Dazubleiben und ihre deutsche Muttersprache und Kultur völlig aufzugeben. Die Gesellschaft war gespalten in die Optanten und die Dableiber; am Ende entschieden sich nur etwa 75.000 Menschen für die Auswanderung, nur wenige davon verließen effektiv ihre Heimat, und die meisten kehrten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder nach Südtirol zurück.
Die Annexion Südtirols widersprach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, so wurde dem Land 1946 im Pariser Vertrag das erste Autonomiestatut zugebilligt. Damit war der Grundstein für den Schutz der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheiten in Südtirol gelegt. Doch die Umsetzung ging nur langsam voran und die Unzufriedenheit und die antiitalienischen Spannungen wurden immer größer und mündeten schließlich in den 60er Jahren in Sprengstoffanschlägen. Italien ging unerbittlich gegen die Widerstandskämpfer vor. Österreich schaltete den UN-Sicherheitsrat ein. Es kam zu langwierigen Verhandlungen zwischen Bozen, Rom und Wien. Daraus entstand das sogenannte „Paket“, das 1972 in Form des Zweiten Autonomiestatuts in Kraft trat. Mit diesem und den darauffolgenden Durchführungsbestimmungen erhielt das Land schrittweise eine Gesetzgebungs- und Verwaltungsautonomie und damit Zuständigkeiten in vielen Bereich des öffentlichen Lebens, der Verwaltung und der Wirtschaft, welche weit über jene einer italienischen Region mit Normalstatut hinausgehen. Das so genannte „Neue Autonomiestatut“ von 1972 bildet die Grundlage des heutigen Minderheitenschutzes der deutschen und ladinischen Sprachgruppe in Südtirol.
Das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache
In Südtirol haben alle deutsch- und italienischsprachigen Bürgerinnen und Bürger im Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung das Recht auf den Gebrauch der eigenen Muttersprache. Alle öffentlichen Ämter und Körperschaften in Südtirol garantieren den Gebrauch beider Landessprachen: Dies gilt für die staatlichen Ämter in Südtirol wie das Regierungskommissariat, Finanz- und Zollämter, das Nationale Institut für Sozialfürsorge (INPS), das Nationale Arbeitsunfallversicherungsinstitut (INAIL) und die Gerichtsbehörden, genauso wie für die Ämter der Region und des Landes, für die Bezirksgemeinschaften, die Gemeinden und ähnliche öffentliche Körperschaften, für die Banca d‘Italia, das Staatsarchiv, die Rundfunk-Anstalt Südtirol (RAS), die Handelskammer Bozen, u.a.
Die Bürger und Bürgerinnen ladinischer Muttersprache haben in den ladinischen Tälern (Gadertal und Grödental) das Recht auf Gebrauch ihrer ladinischen Muttersprache. Dies gilt auch gegenüber den Landesämtern mit Sitz außerhalb der ladinischen Talschaften, sofern sie sich mit den Interessen der Ladiner/innen befassen (z.B. das ladinische Schulamt in Bozen).
Weitere Informationen unter: Autonome Provinz Bozen